Alles fing in den 1970ern an: Erna Knutsen (1921 – 2018), eine Sekretärin im Kaffeewesen suchte einen Begriff, um Kaffeebohnen mit herausragenden Merkmalen zu beschreiben. Sie gründete einen Spezialitätenkaffee-Vertrieb und ließ sich den Begriff Spezialitätenkaffee (im Englischen “Specialty Coffee”) eintragen und schützen.
Gelegentlich liest man auch “Speciality Coffee”. Üblich ist der Begriff “Specialty Coffee”. Dies ist jedoch lediglich eine Feinheit der englischen Sprache. Der amerikanisch-englische Begriff “Specialty Coffee” hat sich etabliert.
Es gibt viele Kaffees, die sich „Feinschmeckerkaffee“ oder „Premiumkaffee“ nennen und die sicherlich gut schmecken. Diese Kaffees unterliegen, anders als Spezialitätenkaffee, nicht den besonders strengen Regularien der SCA (Specialty Coffee Association).
Die SCAA (Specialty Coffee Association of America) ist eine Non-Profit-Organisation und wurde 1982 gegründet, um Qualitätsstandards für den Handel mit Spezialitätenkaffees zu setzen. Die SCAA hat Mitglieder in mehr als 40 Ländern und vertritt verschiedene Segmente der Spezialitätenkaffeeindustrie, darunter Produzenten, Röstereien, Importeure/Exporteure und Einzelhändler. Die Specialty Coffee Association of Europe (SCAE) wurde 1998 gegründet. In 2017 fusionierten die SCAA und die SCAE zur SCA.
Einfach beschrieben achtet die SCA darauf, dass vom Anbau der Kaffeebohne über die Ernte, die Röstung des Rohkaffees, den Vertrieb bis hin zur fertigen Tasse Kaffee ihre Qualitätsstandards eingehalten werden. Denn steht der richtige Kaffee am falschen Ort (Höhenlage, falscher Boden), die Kaffeemühle beim Coffee Shop nicht auf den korrekt eingestellten Mahlgrad oder ist die Menge des Kaffees bei der Zubereitung falsch berechnet, wird die Qualität des Spezialitätenkaffees verfälscht. Der Kaffee kann nicht sein volles Potenzial entfalten und der Geschmack des Kaffees wird nicht mehr als exzellent bewertet.
Doch was macht den Spezialitätenkaffee so besonders oder warum ist Kaffee eigentlich nicht gleich Kaffee? Die Specialty Coffee Association of America hat äußerst hohe und fest definierte Verkostungs- und Bewertungsrichtlinien festgelegt, um Spezialitätenkaffee zu bewerten und um eine äußerst hohe Qualität der Kaffees zu erreichen.
Laut SCA: nein. Die Verkostung (auch Cupping genannt – abgeleitet vom Wort “Cup”) wird von Q Gradern bzw. professionellen Verkostern durchgeführt, die dabei nach SCA-Richtlinien bewerten. Q Grader haben eine spezielle Ausbildung abgeschlossen und sind in der Lage, Kaffee nach den vorgegebenen Richtlinien zu verkosten und zu analysieren. Nur zertifizierte Q Grader dürfen die Bewertung des Kaffees durchführen. Die Kaffees werden beim Cupping durch ein Punktesystem bewertet.
Es gibt insgesamt fünf Qualitätsstufen. Nur den Kaffees, die in den drei höchsten dieser fünf Stufen bewertet werden, ist es erlaubt, sich Spezialitätenkaffee zu nennen.
Sehr guter Kaffee (very good coffee), der besondere geschmackliche Merkmale aufweist. Geschmack und Aromen sind feiner, die Kaffeebohnen weisen keine gravierenden Defekte auf.
Ausgezeichnet (excellent) bezeichnet Kaffees, die mit komplexem und exzellentem Geschmack und Aromen sowie einer angenehmen Süße hervorstechen.
Herausragend (outstanding): unter 1% der weltweit geernteten Kaffees werden als herausragend ausgezeichnet. Diese Kaffees sind unvergleichlich, ihre Aromen brillieren durch ihre Außergewöhnlichkeit und feinsten Nuancen.
Die SCA hat veröffentlicht, dass Qualitätsstandards in drei Bereichen festgelegt werden.
Diese beinhalten den Rohkaffee, das Cupping und das Wasser, das zum Aufbrühen des Kaffees verwendet wird.
Diese Standards sind mehr als Leidenschaft für Kaffee. Sie sind Werkzeuge, um die Qualität der einzelnen Kaffees objektiv zu beurteilen und die Produkte für den Einkauf und letztlich auch die Kunden zu kennzeichnen und sogenannte Premium- oder Gourmetkaffees, die nicht diesen strengen Kriterien entsprechen, vom hochwertigen Spezialitätenkaffee zu unterscheiden.
Um dies zu erreichen, wird bereits nach dem Pflücken der Bohnen durch Handverlesen geprüft, ob die Kaffeebohnen frei von Primärdefekten sind, danach muss der Rohkaffee fachgerecht getrocknet werden, wobei auch hier keine Defekte erkennbar sein dürfen. Dennoch muss der Kaffee die typischen Merkmale seines Anbaugebietes vorweisen. Sogar der Restwassergehalt der grünen Kaffeebohne vor dem Rösten ist streng reglementiert.
Beim Cupping direkt auf den Farmen werden anhand des vorgegebenen SCA-Protokolls viele Punkte bewertet. Dies umfasst unter anderem Aroma, Geschmack, Nachgeschmack, Säure oder auch die Süße.
Die anschließende Bewertung des Q Graders zeigt, ob der Kaffee nach Punkten die Auszeichnung Spezialitätenkaffee erhält.
Damit objektiv verkostet werden kann, muss selbst das Brühwasser bestimmten Qualitätsanforderungen entsprechen. Jedes Wasser schmeckt anders und lässt so auch den Kaffee anders schmecken. Es gilt, dass das Brühwasser klar sein und der pH-Wert im neutralen Bereich liegen muss und es muss einen vorgegebenen Wert an Salzen und Kalk enthalten.
Woher wissen wir was über den Kaffee? Genau: über das Etikett. Die Kaffeebohnen, die für einen Spezialitätenkaffee verwendet werden (vorgegebenes Mikroklima, Anbauort, ohne Defekte etc.) sind ebenfalls vorgegeben.
Heute gibt es weltweit zahlreiche Anbaugebiete für Kaffee, doch nicht überall auf der Welt darf auch Spezialitätenkaffee angebaut werden. Gemäß der SCA erlaubt die SCA für Specialty Coffee ausschließlich den Anbau im “Bean Belt” (also dem “Bohnengürtel”). Hier, zwischen den Wendekreisen von Krebs und Steinbock, herrscht das tropische Klima, dass die besonderen Kaffeebohnen bekommen sollen.
Deshalb kommen für den Anbau des Spezialitätenkaffees nur drei Kontinente in Frage: Zentral- und Südamerika, Asien und Afrika.
Der teuerste Spezialitätenkaffee kommt laut eines Berichts aus 2019 des Global Coffee Reports aus Panama. Der “Panama Geisha Coffee” wurde für US$1.800/kg bzw. US$800 pro Pfund verkauft.
Die meisten Kaffees, die angeboten werden, sind sogenannte “Blends”. Die Hersteller mischen unterschiedliche Anbaugebiete, um ein einheitliches und gewohntes Geschmackserlebnis zu erzielen – auch unabhängig vom zum Beispiel Erntezeitpunkt. Dies geht allerdings auch einher mit dem Verlust des eigentlichen Charakters eines Kaffees.
Anders sind “Single Origins”. Dabei handelt es sich um sortenreine Kaffees, die dem Kunden das besondere, höhere Geschmackserlebnis bieten.
Sortenreine Kaffees sind damit in der Regel auch qualitativ hochwertiger. Bestimmte Länder wie zum Beispiel Kolumbien, Kenia oder Panama sind bekannt für die außerordentlich hohe Qualität ihrer Kaffees.
Zu den sensorischen Tests gehört neben dem Aromaprofil (die SCA kennt 800 verschiedene Aromen, im Wein sind es “nur” 400), dem Körper oder dem (Nach-)Geschmack und der Balance auch die Säure eines Kaffees.
Beim Kaffee gibt es zwei Arten von Säure. Die eine schlägt vielen Menschen auf den Magen und ist daher bei qualitativ hochwertigem Kaffee nicht willkommen und wird beseitigt, wenn die Kaffeebohnen schonend behandelt (Schonröstung) werden. Die andere Säure ist die Fruchtsäure, die das Profil des Kaffees bei intensiver und angenehmer Menge macht.
Die Röstung der Kaffeebohnen spielt neben dem Anbauort, der Ernte und der Zubereitung eine entscheidende Rolle. Man unterscheidet hierbei die helle, mittlere und dunkle Röstung. Je nach Röstart werden dabei verschiedene Aromen klarer definiert. Für das professionelle Cupping dürfen die Kaffeebohnen laut SCA nur hell geröstet werden, um die eigentlichen Aromen nicht durch etwaige Röstaromen zu überlagern. Bei Specialty Coffee ist daher vorgeschrieben, dass die Bohnen zwischen 8 bis 12 Minuten geröstet werden, darüber hinaus muss das Cupping innerhalb der kommenden 8 bis 24 Stunden erfolgen.
Die National Coffee Data Trends (NCDT), die eng mit der Specialty Coffee Association zusammenarbeitet, hat nach der Rezession durch COVID ermittelt, dass der Konsum von Kaffee außer Haus inzwischen wieder auf das Niveau von vor COVID gestiegen ist. Ähnliche Trends sind auch in Europa zu verzeichnen.
In den USA haben 2021 laut einer NCDT-Umfrage ca. 60% der EinwohnerInnen am vergangenen Tag mindestens eine Tasse Kaffee getrunken. Das übertrifft alle anderen Getränke (einschließlich Leitungswasser).
Davon haben übrigens 49% der 25-39-jährigen AmerikanerInnen in 2021 einen Spezialitätenkaffee getrunken.
Dieser Trend wird sicher nicht nur die Röstereien freuen, denn wo Specialty Coffee getrunken wird, kaufen die Menschen entsprechend Spezialitätenkaffee.
Spezialitätenkaffee ist viel mehr als “nur” eine Leidenschaft für Kaffee mit hoher Qualität. Die Kunden wissen, dass sie beim Einkauf von Specialty Coffee auch wirklich ein Produkt bekommen, das den außerordentlich hohen Anforderungen entspricht und alle Beteiligten der Produktionskette – vom Kaffeebauer bis hin zu den Röstereien – diese Qualitätsanforderungen erfüllen.
Grundsätzlich ist es egal, wo auf der Welt KundInnen Spezialitätenkaffee kaufen: Dieses zertifizierte Produkt stammt von bestimmten Kaffeefarmen aus einem definierten Gebiet, die Bohnen wurden zumeist handverlesen, durch einen Q Grader bewertet und das Rösten gemäß Vorgabe der SCA eingehalten. Im Supermarktregal ist Spezialitätenkaffee allerdings schwerer zu finden als bei einer Kaffeemanufaktur.